Am Anfang steht ein mulmiges Gefühl. Zukunftssorgen, drohender Verlust der Arbeit oder der Wohnung, Naturkatastrophen, Epidemien, ein totes Kind in der Stadt. Überall sind mögliche Quellen der Angst. Sie breitet sich aus in der eigenen Familie, im Freundeskreis und in der Nachbarschaft. Gerüchte über schreckliche Verbrechen und geheime Verschwörungen machen die Runde.
Ein Misstrauen gegen Menschen, die zumindest für Teile des Übels konkret verantwortlich sein könnten, macht sich breit. Wer gerade noch Nachbar war, wird zum unheimlichen Fremden. Politische Akteure tauchen auf, die die Angst für ihre Interessen nutzen. Wenn sich dann die Verängstigten mit den Angst-Politikern zusammenschließen, ist die Jagd auf „Fremde“ eröffnet.
Was klingt wie eine Zeitdiagnose des Jahres 2020 ist zugleich eine exakte Beschreibung von Geschehnissen, die vor 400 Jahren schon einmal in Bonn stattgefunden haben: die Hexenverfolgung, die im hiesigen Raum mit besonderer Brutalität gewütet und besonders viele Opfer gefordert hat.
Volker Löschs neues Projekt wirft einen genauen Blick auf die Mechanismen der Angst heute und um 1630 in Bonn und findet erstaunliche Parallelen. Er fragt nach der Eigendynamik der Angst, die irrationale, gefährliche Verhaltensmuster begünstigt und Besorgnis in Aggression und mörderische Gewalt kippen lässt. Der Theaterabend stellt die Frage danach, wie die Angst den Weg in den gesellschaftlichen und politischen Raum findet, wie sie sich dort infektiös ausbreitet und instrumentalisiert wird, in welchem Ausmaß wir alle daran beteiligt sind und was dagegen zu tun ist. Volker Lösch gehört zu den profiliertesten Regisseuren des Gegenwartstheaters. Zu seinen Inszenierungen gehören Arbeiten für Häuser wie das Staatsschauspiel Dresden, Staatstheater Stuttgart, Hamburger Schauspielhaus, die Schaubühne Berlin, das Düsseldorfer Schauspielhaus, Schauspiel Essen oder das Theater Basel. Am Theater Bonn inszenierte er bisher WAFFENSCHWEINE, NATHAN, BONNOPOLY, HOUSE OF HORROR und FIDELIO.
Foto: © Thilo Beu