Einen Toast! Familienoberhaupt Helge zelebriert seinen 60. Geburtstag und Freunde wie Verwandte sind eingeladen mitzufeiern. Auch seine drei Kinder dürfen nicht fehlen, besonders da die Beerdigung ihrer Schwester den traurigen Anlass für ihre letzte Zusammenkunft gab. Nicht erst seither ist jeder hinterbliebene Geschwisterteil auf seine Weise auf Distanz zum Elternhaus gegangen. Doch nun stehen sie alle drei wieder auf der Matte – bereit, Erinnerungen wie Wegbegleiter*innen vergangener Tage entgegenzutreten. Als ältestem Sohn obliegt Christian das Halten der traditionellen Geburtstagsrede am Abend. Statt Tischfeuerwerk lässt er eine Bombe hochgehen: Vor versammelter Gästeliste offenbart er ungeschönt den jahrelangen sexuellen Missbrauch durch den Vater an ihm und seiner verstorbenen Schwester Linda, die sich lieber umbrachte, als länger unter den traumatischen Erlebnissen der Kindheit zu leiden. So sehr sich nachfolgende, Helge zur Seite springende Redner*innen bemühen, Christians Anschuldigungen sind nicht mehr vom Gabentisch zu wischen, die über Jahrzehnte kultivierten Verdrängungsmechanismen der Familie greifen nicht länger …
Präzise und frei von Klischees beschreibt Thomas Vinterberg das Ungeheuer Familie samt seiner Lebenslügen und ambivalenten Rollenzuschreibungen. „Das Fest“ sorgte als erster nach den Regeln des Manifests „Dogma 95“ gedrehter Spielfilm für Furore. Bei den einschlägigen Filmfestivals von Cannes bis London heimste er 1998 zahlreiche Preise ein. Nach ihrem Erfolg im Kino avancierte die modern erzählte Familiengeschichte zum beliebten Theaterstoff – für die Eröffnung der Spielzeit 2022/2023 inszeniert sie Karsten Dahlem. Der ausgebildete Schauspieler, Drehbuchautor, Dozent, Theaterund Filmregisseur arbeitet damit bereits zum neunten Mal für das Schauspiel Essen. Unter anderem brachte er „Die Leiden des jungen Werther“ von Johann Wolfgang Goethe, „Peer Gynt“ von Henrik Ibsen, „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ von Edward Albee und zuletzt „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing auf die hiesigen Bühnen.
Foto: Trixi Strobel (Linda, die tote Schwester), Ensemble © Birgit Hupfeld