Bereits in den 1980er Jahren wurde damit begonnen, in der Papierstadt Bergisch Gladbach eine Sammlung mit künstlerischen Arbeiten aufzubauen, die den Werkstoff Papier in all seinen Erscheinungsformen und Gestaltungsmöglichkeiten widerspiegeln. Inzwischen umfassen die Bestände der Sammlung „Kunst aus Papier“ knapp 500 Arbeiten international renommierter Künstlerinnen wie Jac Leirner, Monika Grzymala, Christo, Kenneth Noland, Mischa Kuball, John Cage, Jiri Kolar, Simon Schubert oder Jenny Holzer. Nicht nur in ihrer Spezialisierung, sondern auch in der ambitionierten Ausrichtung ist diese Sammlung einzigartig. In dieser selbstauferlegten Beschränkung auf ein vermeintliches Alltagsmaterial überrascht die Sammlung durch die schier grenzenlosen Möglichkeiten der Bearbeitung und Verarbeitung von Papier, Pulp, Karton und Co: Die künstlerischen Techniken reichen von zerreißen, zerschneiden, zerknüllen, zerfetzen, schaben, kratzen, durchlöchern, zermahlen oder schöpfen bis kleben, falten, schichten, prägen, rollen und vieles mehr. Gerade in dieser Vielfalt geht die Sammlung über das Thema Papier weit hinaus und entwirft ein beeindruckendes Panorama der Gegenwartskunst in ihrer ganzen Heterogenität. Erstmals präsentiert werden Dauerleihgaben aus der Stiftung Kunst im Landesbesitz Nordrhein-Westfalen, die unsere Sammlung wunderbar ergänzen. Unter diesen herausragenden Arbeiten von Künstlerinnen wie Jean Tinguely, Imi Knoebel und Felix Droese besonders hervorzuheben ist eine große Arbeit von Jan J. Schoonhoven. Wir freuen uns sehr über diesen dauerhaft in der Sammlung verbleibenden fantastischen Zuwachs!
Ein weiteres Highlight stellt die einmalige Präsentation einer Ikone der Kunst aus Papier dar: Reiner Ruthenbecks „Weißer Papierhaufen“ aus dem Jahr 1978/79. Eigens für die Ausstellung in Bergisch Gladbach wird diese Arbeit durch Knüllen von 600 Blatt Papier von 50 x 50 cm zu einem Haufen mit 300 cm Durchmesser neu installiert. Diese wegweisende Skulptur stellte in der Zeit ihrer Entstehung erstmals die physische Präsenz und auratische Wirkung des Mediums Papier auf das gleiche Niveau wie die traditionellen Bildhauermaterialien Stein oder Metall. Ein unspektakuläres Allerweltsmaterial wird mittels einer einfachen Handlung in eine spektakuläre Dimension überführt. Die Arbeit wird für
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die Dauer der Ausstellung als großzügige Leihgabe der Stiftung Kunstfonds in die
Sammlungspräsentation integriert. Damit erfüllt sich für das Museum ein echter Herzenswunsch.
Die Anzahl und Qualität der Neuzugänge der letzten Jahre grenzt beinahe an ein Wunder in
Anbetracht der Tatsache, dass der Ankaufsetat des Kunstmuseum Villa Zanders seit Jahren fast bei null
liegt. Basiert die Sammlung in ihren Anfängen hauptsächlich auf Mitteln der Kulturstiftung der
Kreissparkasse Köln, so sind es heute immer wieder kunstsinnige Bürger*innen und Kulturvereine wie
der Galerie+Schloss e.V. oder der Rotary Club Bergisch Gladbach, die Ankäufe ermöglichen. Nur durch
das bürgerliche Engagement – und den besonders dankenswerten Schenkungen, die direkt von Seiten
der Künstlerinnen und Künstler an das Museum gehen – kann sich eine hochkarätige Sammlung heute
weiterentwickeln. Eine Sammlung muss wachsen, um lebendig und für die Gegenwart relevant zu
bleiben.
Oft wird erst nach Jahren die wahre Bedeutung eines Ankaufs offenbar wie an dem Beispiel der 1992
erworbenen Arbeit „Ghost“ (1991) der Wolfgang-Hahn-Preisträgerin Jac Leirner von 2019 deutlich
wird. Gerade diese Bodenskulptur aus aufgefädelten Banknoten kann stellvertretend für die
Signifikanz der „Kunst aus Papier“ gelten: Es ist eine stille, aber doch entschiedene Kunst, die dem
Alltagsmaterial Papier einen sinnlichen, immer wieder überraschenden Reichtum abgewinnt. Mit
Humor und Leichtigkeit entwickelt die Kunst aus Papier eine ganz eigene Kraft und entfaltet ein
Potential, das alle Erwartungen sprengt.
weitere Informationen unter villa-zanders.de
Foto: Vorne: Reiner Ruthenbeck, Weißer Papierhaufen, 1978/79, 600 Blatt Papier, geknüllt, Leihgabe Stiftung Kunstfonds, © VG BILD-KUNST 2020, Bonn